Einst und jetzt 2: Liniennetz

Nach einer längeren Pause kommt hier mal wieder ein Beitrag der Serie „Einst und jetzt“ über die Veränderungen bei der Vestischen, die ich als interessierter Fahrgast so miterlebt habe, diesmal zum Thema Liniennetz.

Das zeichnete sich Anfang der Neunzigerjahre durch eine historisch gewachsene Struktur aus: Seit der Einstellung der Straßenbahn, die 1982 abgeschlossen war, hatte es kaum Änderungen gegeben. Die meisten Linien fuhren im 30-Minuten-Takt, andere dagegen zu festen Minuten, aber nicht in jeder Stunde, und manche auch völlig ohne Takt. Meine beiden Lieblingslinien 251 und 287 (die an meiner Schule bzw. bei mir zu Hause vorbei fuhren) waren solche Beispiele. Noch heute weiß ich, dass die 251 von Marl Mitte Richtung Lippramsdorf um 7.46, 9.00, 10.00, 10.48, 11.46, 12.46, 13.20, 14.00, 15.00, 16.00, 17.34 und 18.59 fuhr (früh morgens gab es noch einige Fahrten, die ich aber nicht mehr auswendig weiß). Abgesehen von diesen „taktlosen“ Linien trafen sich die meisten Busse aber zu festgelegten Zeiten an den Busbahnhöfen, in Marl zum Beispiel um 00/30 und 15/45, in Dorsten um 22/52. Allerdings hielten viele Linien etwa in Marl auf dem Hinweg um 00 und auf dem Rückweg um 15, so dass Anschlüsse oft nicht in beiden Richtungen funktionierten. Auch Anschlüsse zu Zügen schienen eher Zufall als Absicht zu sein. Ohnehin konnte man auf manchen Linien schon Verspätungen fest einplanen, weil die Fahrzeiten nicht an den zunehmenden Autoverkehr angepasst waren.

Eine neue Entwicklung im Netz gab es aber doch: die StädteSchnellBusse (SB), die seit Ende der Achtzigerjahre mit wenigen Halten die Ortszentren verbanden. Sie fuhren im Stundentakt und nur während der Geschäftsöffnungszeiten. Pilotlinie war die SB 26 Dorsten-Deuten–Marl–Recklinghausen, später kamen unter anderem die SB 25 Dorsten ZOB–Marl–Recklinghausen und SB 24 GE-Buer–Recklinghausen–Datteln–Waltrop hinzu. Die Anschlüsse an den Umsteigepunkten waren meistens nicht auf die Schnellbusse ausgerichtet, so dass die durch die schnellere Fahrt gewonnene Zeit oft durch Warten wieder verloren ging.

Seitdem hat sich eine Menge getan: Zwischen 2000 und 2003 wurden in allen Städten im Bedienungsgebiet der Vestischen die Nahverkehrspläne (NVP) umgesetzt, die gemeinsam mit dem Kreis Recklinghausen und den kreisfreien Städten Bottrop und Gelsenkirchen entworfen wurden.
Durch die NVP-Umsetzung sind die Fahrpläne kräftig durcheinandergewirbelt worden (siehe die Liste der alten und neuen Linien). Neben einigen wenigen unveränderten Linien wurden Linienabschnitte neu zusammen gesetzt, andere völlig neu eingeführt (wie etwa zwischen Oer-Erkenschwick und Marl oder durch das Neubaugebiet Hüls-Süd) und andere ganz eingestellt (wie etwa zwischen Altendorf und Marl). Auf den neuen Linien sind Taktverkehr und realistische Fahrzeiten selbstverständlich. Auch die Symmetrie des Fahrplans ist jetzt auf viel mehr Linien umgesetzt als vorher, das bedeutet, dass Anschlüsse auf der Hinfahrt meistens genau so funktionieren wie auf der Rückfahrt.
StädteSchnellBusse spielen eine viel größere Rolle, fahren an allen Tagen bis Betriebsschluss und bieten als Rückgrat des Netzes bessere Anschlüsse an Bus und Bahn. Allerdings werden auf manchen Abschnitten jetzt alle Haltestellen bedient, weil es keinen Parallelverkehr mehr gibt, so dass der Name „Schnellbus“ sich oft nur auf die direkteren Linienwege bezieht (Karte des Schnellbusnetzes).

Völlig neu sind die Taxibusse, die nur auf Bestellung fahren. Sie sind Vor- und Nachteil zugleich: Für manche Gegenden wie das Altenzentrum Maria Lindenhof in Dorsten ermöglichen sie überhaupt erst eine ÖPNV-Anbindung, manchmal wurden aber auch Linienabschnitte des Standardnetzes auf Taxibus umgestellt (z.B. Marl–Lippramsdorf).
Seit 2002 gibt es auch ein NachtExpress-Netz im Vest Recklinghausen. An Wochenenden und vor Feiertagen kann man seitdem bis etwa 3 Uhr alle Haltestellen an den Hauptverkehrsadern erreichen. Im Gegenzug wurde allerdings der Betriebsschluss der regulären Linien von etwa 1 Uhr um eine Stunde vorverlegt; Nebenlinien fahren ab etwa 21 Uhr nur noch als Taxibus.

Insgesamt kann man sagen, dass die Umsetzung der NVP frischen Wind in das Busnetz im Vest gebracht hat. Das bedeutet auch, dass sich die Fahrgäste öfter an Änderungen gewöhnen müssen als früher. Leider sind einige der Angebotsverbesserungen nicht ganz so gut angekommen wie erhofft, so dass sie schon wieder Geschichte sind. Durch das Glück, an einer der neuen Schnellbuslinien gewohnt zu haben, habe ich persönlich von den neuen Konzepten jedenfalls eher profitiert und wünsche mir – wie schon bei den Fahrzeugen – den alten Zustand nicht ernsthaft zurück.

Design-Wettbewerb

Wer das Innendesign von Zügen schon immer langweilig gefunden hat, der kann jetzt aktiv an der Verschönerung mitwirken: Beim → Bombardier YouRail Designcontest kann man entweder das Muster eines Sitzpolsters oder gleich den ganzen Innenraum eines Zuges gestalten. Großartige Designkenntnisse braucht man dazu nicht, es reicht eine Idee und die Registrierung als Benutzer auf der Website. Es gibt auch etwas zu gewinnen, nämlich Geldpreise von bis zu 2.000 Euro und eine Reise zur Bahnmesse InnoTrans nach Berlin. Die Jury besteht aus Mitgliedern der Geschäftsführung von Bombardier, einem der größten und bekanntesten Bahnfahrzeugbauer der Welt. Es lohnt sich also – wenn ihr ein Händchen für Design habt (für mich wäre eher ein Fahrplanerstellungswettbewerb etwas), dann schaut doch mal rein und berichtet mir eure Erfahrungen!

Streckenkunde

Als regelmäßiger Bahnfahrer bin ich ja schon einiges herumgekommen, allein schon durch das Pendeln zur Uni Dortmund entspricht es mindestens einmal der Entfernung um die Erde. Daher war ich neugierig, wie die Strecken in Deutschland, die ich schon befahren habe, auf einer Karte aussehen. Also habe ich mir aus dem Netz eine Karte mit freundlicher Genehmigung „geklaut“ – nämlich bei → Trainspotting, wo es sehr gut gemachte digitale Eisenbahnkarten gibt. Die Strecken, auf denen ich schon unterwegs war, habe ich schwarz markiert, und das ist dabei herausgekommen (Karte öffnet in neuem Fenster).
Die meisten schwarzen Strecken gibt es natürlich in der Umgebung meiner Wohnorte Marl und Aschaffenburg. Im Ruhrgebiet und Rhein-Main-Gebiet kenne ich bis auf einige S-Bahn-Endstücke alles. Ganz dünn sieht es dagegen im Osten aus: Bis auf zwei Strecken nach Berlin und drei nach Leipzig sind die neuen Bundesländer „terra incognita“, ein Zustand, den ich durchaus gerne ändern möchte. Im Rest von Deutschland kenne ich meistens nur die Hauptstrecken, womit ich sicher eine Menge verpasst habe. Aber es ergeben sich selten Gelegenheiten, weiter entfernte Nebenstrecken zu fahren, und ich setze mich dann doch nicht einen ganzen Tag in den Zug, nur um eine bestimmte Strecke zu fahren.
Dank Umleitungen habe ich übrigens auch einige Strecken kennen gelernt, die sonst nur von Güterzügen befahren werden, wie Gelsenkirchen-Buer Nord–Recklinghausen Hbf oder Buchholz (Nordheide)–Maschen. Einiger dieser Strecken, wie Düsseldorf Hbf–Duisburg-Wedau oder die rechte Rheinstrecke zwischen Koblenz und Mainz habe ich nicht schwarz markiert, da es bei diesen Umleitungen dunkel war.
Bei Gelegenheit werde ich sicher eine aktualisierte Version der Karte präsentieren, aber bis dahin liegen wohl noch einige Bahnkilometer vor mir …

Post aus Tansania (2)

Meine Schulfreundin Melanie, von der ich ja schon mal erzählt habe, war mal wieder in Tansania unterwegs. Sie schreibt:

Zum Beispiel waren wir mal beim Mlima Reli, einem Hügel, der wohl zum Bremsen für ein Kopf-Gleis eines Güterbahnhofs aufgeschüttet worden war. Nur hat es mit den Bremsen wohl mal nicht so gut geklappt. Ich hänge dir mal ein Foto an (für den Fall, dass du auch Fotos von Güterzügen sammelst… :-)).

Missglücktes Ablaufenlassen

In der Tat habe ich bisher noch keine Fotos von Güterzügen (und so eins schon gar nicht :)). Das liegt vermutlich daran, dass sie nicht so fotogen sind wie ICE-Züge, andererseits auch länger und daher schwerer zu fotografieren. Wenn mir bei Gelegenheit aber mal ein Güterzug vor die Linse kommt, mache ich vielleicht auch mal ein Bild. Auf jeden Fall freue ich mich über zugeschickte Fotos. Vielen Dank also an Melanie für das Bild!

Cité du Train

So – auf deutsch etwa „Bahnstadt“ – heißt das Eisenbahnmuseum im elsässischen Mülhausen (Mulhouse), das ich am Samstag besucht habe. Das Museum ist erst vor kurzem komplett renoviert worden und verfolgt seitdem ein ungewöhnliches Konzept: Eine der beiden Fahrzeughallen ist nämlich als Multimediashow konzipiert. Dazu ist sie abgedunkelt (was das Fotografieren schwierig macht), und die einzelnen Fahrzeuge sind mit Figuren und anderen Utensilien drapiert. Vor jedem größeren Fahrzeug steht ein Monitor, auf dem bei Annäherung ein Film startet, der das Fahrzeug in einen historischen Kontext stellt (eine deutsche und englische Übersetzung der Texte gibt es per Kopfhörer). Unter anderem geht es dabei um den Beruf des Lokführers, den Eisenbahnbau in den Bergen oder den Präsidentenwagen. Besonderer Blickfang ist eine auf der Seite liegende Dampflok, die die Sabotage von Strecken durch französische Widerstandskämpfer darstellt. Auch den Deportationen per Bahn während der Besetzung durch die Nazis ist übrigens eine Station des Museums gewidmet. Für Eisenbahnfreunde ist die Präsentation der Fahrzeuge natürlich gewöhnungsbedürftig, zumal die wenigsten Fahrzeuge betreten oder aus Bahnsteighöhe betrachtet werden können. Die umfangreichen Hintergrundinfos machen das allerdings durchaus wieder wett.
Die zweite Halle ist eine gewöhnliche Fahrzeughalle. Hier findet man alte Loks und Wagen von den Anfängen über die Rekordlok CC-7107, die schon 1955 eine Geschwindigkeit von 331 km/h erreichte, bis kurz vor der Gegenwart. Moderne Fahrzeuge, die mich am meisten interessieren, sind natürlich nur als Modelle zu sehen, weil die Originale ja noch im Einsatz sind. Dafür kann man aber ein Video von der TGV-Rekordfahrt mit 574,8 Kilometern pro Stunde bewundern. Ein Gerät, das nach TGV-Führerstandssimulator aussieht, gibt es auch, es war aber leider außer Betrieb. Eine Modellbahnanlage und ein Kinderspielzimmer runden das Ganze ab.
Nach dem Besuch im Museum (der übrigens mit 10 Euro nicht gerade billig war), habe ich noch ein wenig die Stadt und den örtlichen Nahverkehr erkundet. Seit 2006 gibt es hier wieder eine moderne Straßenbahn mit zwei Linien, die den Autoverkehr weitgehend aus der Innenstadt verbannt hat. Ergänzt wird das Netz durch Busse, die zwar relativ häufig, aber wie in Frankreich üblich, auch meistens unvertaktet fahren. Am Bahnhof habe ich dann noch einen Blauwal und einen Corail-Zug bewundert, bevor ich zum gemütlichen Teil der Reise in einer Brasserie überging.

Einst und jetzt 1: Fahrzeuge

Schon Anfang der neunziger Jahre ließ es sich nicht leugnen, dass ich ein gewisses Interesse an allem habe, was im öffentlichen Verkehr auf Straßen und Schienen herum fährt. Natürlich habe ich meine Aufmerksamkeit zunächst auf das gerichtet, was bei mir in der Gegend unterwegs war, also die Busse der Vestischen in Marl und Umgebung.
Sehr vieles war dabei damals anders als heute – Grund genug, um eine Serie mit Vergleichen zwischen früher und heute anzufangen. Als erstes widme ich mich dem Fahrzeugpark:

Auf vielen Linien – zu meinem großen Ärger vor allem auf denen, die bei mir zu Hause vorbei fuhren – dominierte zu Beginn meiner „Buszeit“ noch der Standardlinienbus I, den es in äußerlich fast völlig gleichen Ausgaben von Magirus-Deutz und MAN gab. Der Nachfolger SL II war bei der Vestischen vor allem von Neoplan im Einsatz und machte beim Fahren kuriose Heulgeräusche. Neu beschafft wurden allerdings nur noch Niederflurbusse, nachdem Ende der achtziger Jahre die Vestische gemeinsam mit Neoplan einen Solo-Niederflurbus entwickelt hatte. Ein besonderer Blickfang war der Metroliner in Carbon (MiC), ebenfalls von Neoplan, der teilweise aus Carbonfasern bestand. Er bestach durch sein modernes äußeres und inneres Design, hatte aber als Nachteil unter anderem eine schlechte Stoßdämpfung.

Die gerade eingeführten StädteSchnellBusse hatten eigene, besonders bequeme Fahrzeuge. Ursprünglich gab es sie nur in Hochflur mit reisebusähnlichen Sitzen und sogar Zeitungshaltern hinter dem Fahrersitz. Mit diesen Wagen bin ich immer besonders gerne, wenn auch selten gefahren. Als zur Pilotlinie SB 26 weitere Schnellbusse dazu kamen, wurden auch Niederflurbusse angeschafft.

Zu dieser Zeit und auch in den folgenden Jahren bewies die Vestische eine große Innovations- und Experimentierfreude. Der erste Niederflurbus und der MiC sind schon zwei Beispiele dafür, weitere waren die Anschaffung von Fahrradbussen, dieselelektrischen Bussen, den Megatrans (15-m-Busse) oder den Midibussen.

Seit 2000 werden die Busse der Vestischen nun gemeinsam mit den benachbarten Verkehrsbetrieben Bogestra, HCR und DSW sowie den Bahnen der Stadt Monheim angeschafft. Da es deswegen keine eigenen Lackierungen für die einzelnen Unternehmen mehr gibt, tragen die vestischen Busse nach orange-weiß und rot-weiß nun rot-weiß-grün, die Landesfarben NRWs. Nachdem die erste Serie der NRW-Busse bei Neoplan bestellt worden war, wurden danach Busse von Mercedes, MAN und Solaris beschafft. Unter den neuen Bussen ist der Anteil der Gelenkzüge höher als früher, was auf die erfreulich gestiegenen Fahrgastzahlen hinweist. So kommen auch nach Marl und Dorsten regelmäßig Gelenkbusse, was früher eine Seltenheit war.

Damals wie heute fährt die Vestische nicht alle Kurse selbst, sondern setzt auch Subunternehmer ein, im mittleren Vest hauptsächlich Zieger (Vestischer Reisedienst), Pollak und Wessels. Früher waren deren Fahrzeuge oft an der deutlich anderen Lackierung zu erkennen (hier ein Wagen des nicht mehr eingesetzten Unternehmers Kunert von 1993), und auch von der Ausstattung her waren sie oft nicht mehr auf dem neuesten Stand. Das hat sich radikal geändert: heute sind die Unternehmerfahrzeuge ebenfalls rot-weiß-grün lackiert und damit kaum noch von denen der Vestischen zu unterscheiden, und es werden mindestens genau so aktuelle Baureihen eingesetzt.

Zurück zum eigenen Wagenpark der Vestischen: Inzwischen sind alle „exotischen“ Fahrzeuge ausgemustert, ebenso wie die SL II als letzte Hochflurbusse, die zuletzt 2004 ihren Dienst versahen. Die SL I sind schon viel länger von den Straßen des Vests verschwunden. Auch eigene Wagen für Schnellbusse gibt es nicht mehr. Das hat einen betrieblichen Vorteil, da Schnellbuskurse heute häufig auf anderen Linien weiter fahren, ist für die Fahrgäste aber kein großer Verlust, da der Komfort insgesamt zugenommen hat. So gesehen trauere ich den Zeiten des SL I auch nicht nach, selbst wenn ein bisschen Nostalgie natürlich erlaubt ist.

Mehr Infos zum Thema findet ihr bei → Vestischer Bus für heutige und bei → Vestory für ehemalige Fahrzeuge.

Bahndeutsch

In der Welt der Eisenbahn gibt es – wie in vielen anderen Lebensbereichen auch – einen Fachjargon, der auf Außenstehende amüsant bis unverständlich wirkt. Da mit der Bahn aber auch Nichtfachleute befördert werden, muss man mit diesen kommunizieren – und dabei schleicht sich oft genug der Jargon ein. Da heißt es dann regelmäßig „Der Zug endet hier“, obwohl der Zug doch streng genommen immer am Schlusslicht endet und nicht an irgendeinem Bahnhof (noch schlimmer muss es für die Passagiere klingen, wenn der arme Zug dann auch noch „ausgesetzt“ wird). Ebenso fährt ein Zug „aus Gleis 3“, obwohl man doch hoffen sollte, dass der Zug nicht aus dem Gleis fährt. Oder man wird darauf hingewiesen, dass man „Übergang“ hat, anstatt dass der Zub von „Umsteigemöglichkeiten“ spricht.
Liebhaber der deutschen Sprache (zu denen ich normalerweise auch gehöre) schlagen bei solchen Ansagen die Hände über dem Kopf zusammen. Ich als Eisenbahnfreund mag dagegen natürlich auch den Jargon und freue mich über die Ausdrücke, die verraten, dass ein Eisenbahner am Werk ist. Verständlich für den Durchschnittsfahrgast sollte es allerdings schon sein – mit einer „LZB-Störung“, die ein Zugchef mal durchgesagt hat, können wohl die wenigsten etwas anfangen. Vielleicht sollte man immer zwei Durchsagen machen: eine für Fachleute und interessierte Laien und eine für alle anderen?

Service und andere Tücken des Bahnfahrens

Beim Netzsurfen bin ich heute auf einen netten Artikel gestoßen: → Die Servicehölle der Deutschen Bahn: Hier sind wir bedient.
Vieles, was die Autoren, die anscheinend Vielfahrer und gute Beobachter sind, beschreiben, ist mir auch schon aufgefallen. Etwa die Ansagen: Ist es wirklich nötig, vor jedem Haltebahnhof eines Fernzuges alle Anschlusszüge mit Zwischenhalten und Abfahrtgleis anzusagen? Vielfahrer kennen die Anschlüsse auswendig, und Wenigfahrer steigen kaum auf gut Glück in einen Zug ein, sondern haben sich vorher eine Auskunft besorgt. Interessant ist höchstens die Gleisnummer, aber die gibt es ja letztgültig nur von den „örtlichen Lautsprecherdurchsagen am Bahnsteig“. Und brauche ich als Tourist solche Ansagen auch auf englisch? In Ländern, deren Sprache ich nicht verstehe, habe ich mich erst recht vor der Reise gut informiert und wünsche mir vor allem dann Ansagen, wenn irgendetwas Ungewöhnliches passiert. Aber gerade bei Betriebsstörungen gibt es leider die Ansagen bei der DB nur auf deutsch.
Oder die Handygespräche: Ich habe noch nicht darauf geachtet, ob sich die Fahrgäste wirklich an die handyfreien Ruhezonen halten. Aber es würde mich nicht wundern, wenn sie es nicht tun. Nun regen mich Handygespräche nicht wahnsinnig auf, aber manchmal habe ich auch gerne ein bisschen Ruhe. Und am Telefon sprechen die meisten Menschen einfach lauter. Mal abgesehen davon, dass es einfach amüsant ist, wenn andere ihr halbes Privatleben ausbreiten. Ich fühle mich für Telefongespräche im Zug (von kurzen à La „Ich komme später“ abgesehen) einfach nicht ungestört genug, aber das muss natürlich jeder selber wissen.
Thema Platzwahl: Oft steige ich in den Zug ein und kriege einen Schreck angesichts der Leute, die in den Gängen sitzen oder stehen. Wenn ich dann aber im Wagen etwas genauer hinschaue und die auf den Plätzen Sitzenden frage, ob neben ihnen noch frei ist, bekomme ich fast immer noch einen Sitzplatz. Ob die Menschen in den Gängen tatsächlich Angst haben, dass alle diese Plätze reserviert sein könnten? Vielleicht möchten sie auch nicht neben jemand anders sitzen oder ihnen ist das Suchen und Fragen zu umständlich. Die „bahn.comfort“-Plätze ignorieren sie aber vermutlich genau so wie ich. Sollte doch mal jemand mit so einer Karte kommen, kann ich immer noch aufstehen.

Aber eines habe ich im Gegensatz zu den Autoren nicht beobachtet, nämlich das wilde Parken von Koffern in den Gängen. Wenn die Kofferregale voll sind, machen sich die meisten entweder doch die Mühe, ihr Gepäck auf die Gepäckablage zu hieven, oder stellen ihre Koffer zwischen die Sitze (dort, wo die Sitzrichtung wechselt) oder in die Einstiegsräume, wo sie auch kaum stören.

Stehen bleiben, oder …!

Wenn ein Zug stehen bleibt, schwant mir meistens Böses, denn oft stecken dahinter bei Fahrgästen so beliebte Ursachen wie eine „Störung im Betriebsablauf“, „hohe Streckenbelegung“ oder gar ein „Personenunfall“. Für die Menschen am Untermain dagegen ist das Stehenbleiben eines Zuges etwas völlig Normales, sie wünschen sich sogar, dass ein Zug stehen bleibt: „Bleibt der in Hanau stehen?“, „Bleibt der Bus an der Coburger Straße stehen?“. Ich will darauf immer antworten: „Hoffentlich nicht, denn ich will noch weiter“. Anscheinend ein klassischer Fall von regional unterschiedlichem Sprachgebrauch, denn für mich lautet die entsprechende Frage „Hält der Zug/Bus in …?“. Dass der Wagen beim Halten auch kurz stehen bleibt, spielt in meiner Logik keine Rolle.

Blick in die Vergangenheit

Wie zwei Beiträge weiter unten schon angedeutet, habe ich mir am Sonntag im DB-Museum das Kursbuch Westfalen-Ruhr vom Winter 1981/82 gekauft und mich auf der Rückfahrt auf die spannende Reise in die Vergangenheit der nordrhein-westfälischen Bahn gemacht. Hier das Interessanteste am Bahn- und Busverkehr von 1981:

  • Im Fernverkehr fuhren die Intercitys im wesentlichen nicht nur auf den gleichen Linien wie heute durch das Kursbuchgebiet, sondern auch in der gleichen Zeitlage: Kurz nach der vollen Stunde in Münster ab, eine halbe Stunde später in Dortmund mit dem Ruhr/Wupper-Korrespondenzanschluss etc. Außer den ICs, die damals noch relativ neu waren (seit 1971 in der ersten, seit 1979 auch in der zweiten Klasse), waren noch jede Menge unvertaktete D-Züge unterwegs, unter anderem auch mehrmals täglich in die DDR. Vereinzelt gab es auch noch die erstklassigen TEE-Züge, dafür aber noch keinen Eurocity. Stattdessen fuhren ICs ins Ausland, z.B. nach Amsterdam und Paris.
  • Neben den D-Zügen gab es auch noch die so genannten Heckeneilzüge, die einmal am Tag auf Nebenstrecken und mit vielen Halten größere Städte verbanden. Auf der KBS 300 Köln–Duisburg–Hamm finden sich z.B. die Laufwege Koblenz–Wilhelmshaven, Koblenz–Dortmund, Kleve–Oberhausen, Aachen–Bremen–Cuxhaven, Köln–Amsterdam und Mönchengladbach–Oberhausen, um nur die Eilzüge einer Doppelseite zu nennen.
  • Im Nahverkehr war im Gegensatz zum IC-Netz Taktverkehr noch weitgehend unbekannt – so sehr, dass die wenigen Strecken mit „Nahverkehr im Takt“ im Linienplan besonders gekennzeichnet waren. Auf den anderen Strecken fuhren die Züge so, wie es Nachfrage, Streckenbelegung und Umlaufplan erlaubten. Für Bösensell an der Strecke Münster–Essen, das heute im Halbstundentakt bedient wird, bedeutete das z.B. werktags keinen Zug zwischen 6.45 und 9.26 Uhr. Dann fuhren bis 12.28 Uhr wieder alle Züge durch, erst am Nachmittag gab es fast stündlich eine Verbindung. Der letzte Zug fuhr um 0.09 – allerdings nur an Werktagen nach Sonn- und Feiertagen …
  • Auf vielen Strecken, die heute längst vergessen sind, fuhr zumindest noch der so genannte Gesetzeszug – ein oder zwei Zugpaare am Tag, zu deren Betrieb die Deutsche Bundesbahn verpflichtet war. Meistens fuhr morgens ein Zug hin und nachmittags zurück (wie z.B. auf der Strecke Duisburg-Wedau–Düsseldorf). Es gab aber auch die Variante, dass es in beide Richtungen nur morgens Züge gab, wie zwischen Oberhausen und Duisburg-Walsum. Wenn man annimmt, dass die meisten Fahrgäste, die morgens hin fahren, nachmittags zurück fahren wollen, mag dieses Betriebskonzept zwar umlauftechnisch sinnvoll, aber nicht nachfrageorientiert sein.
  • Auch die Wochenendruhe gehört zum Glück inzwischen weitgehend der Vergangenheit an, war damals aber noch auf vielen Nebenstrecken die Regel. In ländlichen Gebieten – etwa zwischen Münster und Coesfeld – gab es auch die Variante einer Betriebsruhe von Samstagmittag bis Sonntagmittag. Beides gab es auch noch zu Beginn meiner „aktiven Kursbuchlesezeit“ bis zur Einführung des ITF.
  • Das S-Bahn-Netz bestand 1981 nur aus den Linien S1 Düsseldorf–Bochum, S3 (ohne Hattingen Mitte), S6 Essen–Langenfeld und S7. Interessanterweise fuhren die meisten dieser Linien schon in einer Zeitlage, die bis zur Einführung des ITF 1998 bestehen blieb und die mir also auch noch in guter Erinnerung ist. Einige andere der heutigen Linien wurden schon im Vorlaufbetrieb befahren (im oben erwähnten „Nahverkehr im Takt“, z.B. die Vorläufer der S4 und der S9 Bottrop–Wuppertal). Sowohl bei der S-Bahn als auch beim Vorlaufbetrieb gab es oft Abweichungen vom Takt. Extremes Beispiel ist die S1 zwischen Düsseldorf und Duisburg-Großenbaum, bei der der Takt nur eine grobe Richtschnur für die tatsächlichen Abfahrtszeiten darstellt. Der Grund ist wohl die Mitbenutzung der Ortsgleise mit unvertakteten anderen Zügen.
  • Vor 27 Jahren gab es auch noch wesentlich mehr Bahnbuslinien als heute. Die KBS 3383 (VRR-Linie 189) zum Beispiel fuhr von Velbert über Essen nach Gladbeck. Von dort gab es zwei Äste nach Dorsten (im Stundentakt) und über Gelsenkirchen-Buer und Marl nach Haltern (im Stunden- bis Zweistundentakt). Bemerkenswert ist die Fahrzeit von 18 Minuten zwischen Buer Rathaus und Marl Mitte, die mit dem heutigen Verkehrsaufkommen nicht mehr machbar wäre – der heutige 222 braucht bei hoher Verspätungsanfälligkeit 26 Minuten. Die alte 189 gehört zu den Linien, von denen noch am meisten geblieben ist: bis auf den AST Gladbeck–Haltern fahren auf allen Streckenabschnitten noch heute Linien der DB-Tochter BVR. Ein Beispiel für eine Linie, von der überhaupt nichts mehr übrig ist, ist die 3300 (VRR 591) Hagen–Hattingen–Gelsenkirchen–Dorsten–Borken–Südlohn-Oeding mit zweieinhalb Fahrtenpaaren pro Tag und einer Gesamtfahrzeit von über vier Stunden pro Richtung. Absolut kurios sind die beiden Linien, die jeweils mit einem Fahrtenpaar pro Tag Ruhrgebiet und Westerwald verbanden: Die Verkehrsbedeutung der Linien Essen–Bad Marienberg und Hattingen–Weilburg versinkt im Dunkel der Geschichte.
  • Gedruckt sind die Fahrplantabellen in einem altmodisch wirkenden Satz (handgesetzt?). Nur die Fahrpläne der Linien S1 und S3 sowie einiger „Nahverkehr-im-Takt“-Linien sind in moderner Schrift ähnlich der heutigen gesetzt (vielleicht wurden da schon Computer eingesetzt?).

Soweit mein Streifzug durch die Bahnlandschaft am Ende meines zweiten Lebensjahrs. Wenn jemand von euch ein paar Jahre mehr auf dem Buckel hat, kennt er vielleicht einiges noch aus eigener Erinnerung und kann noch ein paar Ergänzungen liefern? Die Kommentarfunktion freut sich auf eure Beiträge.