Selbsterfüllende Prophezeiung?

Das letzte Wochenende brachte zunächst einmal eine Fahrt nach Heidelberg und von dort weiter nach Stuttgart und zurück, alle ohne besondere Vorkommnisse bis auf die baustellenbedingte Sperrung der NBS Mannheim–Stuttgart bis Vaihingen (Enz), so dass wir bis dorthin die Altstrecke benutzen, die ich noch nicht im Hellen gefahren war (nur einmal 2005 mit dem Nachtzug nach Wien).
Sonntagabend ging es dann mal wieder beruflich nach Paris. Ich hatte mich unter anderem wieder für den Zug entschieden, weil ich wusste, dass auf der Strecke die neuen Velaros der Baureihe 407 eingesetzt werden. Also machte ich mich gemeinsam mit meinem Kollegen Sebastian, der mich schon oft begleitet hat, auf den Weg. Die RB von NAH nach FF fuhr merkwürdigerweise ab FFS über Niederrad, so dass sie 6 min später ankam als sonst die nordmainischen Taktzüge. Da wir etwas Hunger verspürten, wollten wir uns noch mit Currywurst eindecken, aber angesichts des gerade zuende gegangenen Fußballspiels waren bei den Wursthelden wie auch den anderen Imbissen die Schlangen zu lang, so dass wir uns auf den Speisewagen vertagten. Ich witzelte noch, dass die ja öfter mal nicht so funktionieren würden wie gedacht.
Das stellte sich bald als selbsterfüllende Prophezeiung heraus: Nachdem uns die Durchfahrt durch FSP einige Minuten Verspätung eingebracht hatte und wir endlich auf der Riedbahn waren, machte ich mich auf den Weg ins Bordrestaurant, nur um zu erfahren, dass dort keine warmen Speisen zubereitet werden konnten. Nur ein Sandwich aus Schwarzbrot hatte man noch für mich, dessen Belag ich nicht mochte, aber der Hunger war groß. Außer dem Sandwich genoss ich auch die Fahrt im Velaro, der auffallend leise und zumindest in meinem Wagen auch etwas zu stark klimatisiert war. In Mannheim fuhren wir interessanterweise über die östliche Riedbahn und mit +10 weiter. SKL verließen wir aber mit nur noch etwa +5. Kurze Zeit später kam Sebastian vorbei, und wir starteten noch einen Versuch mit dem Speisewagen. Das einzige Warme, das man uns verkaufen konnte, waren allerdings (aber immerhin) Heißgetränke und Kuchen. So konnte auch Sebastian dann noch den größten Hunger beseitigen und wir während des Grenzübertritts über alle möglichen Verkehrsthemen quatschen.
XFPO erreichten wir dann nur noch wenige Minuten verspätet und erspähten am Nachbargleis den Venice-Simplon-Orient-Express:

VSOE-Wagen im Gare de l'Est

VSOE-Wagen im Gare de l'Est

Mit der Metro fuhren wir nach Saint-Michel, wo wir eigentlich in die RER umsteigen wollten. Die hatte jedoch ab Invalides Schienenersatzverkehr, wodurch die Fahrt dann noch etwas umständlicher und länger war als geplant. Letztendlich erreichten wir gegen Mitternacht unsere Hotels in Issy-les-Moulineaux.

Nach dem Meeting am nächsten Tag machte ich mich alleine auf den Rückweg, Sebastian hatte am Tag danach noch ein weiteres Meeting. Da die Sperrung der RER nur abends stattfand, kam ich problemlos zum Gare du Nord, von wo ich diesmal eine Verbindung mit dem Thalys über Köln gebucht hatte. Da hier fast die ganze Strecke mit 300 km/h befahren werden kann, dauert sie nur eine halbe Stunde länger als mit dem direkten Zug nach Frankfurt. Hätte ich auf diesen gewartet, wäre ich außerdem erst nach Mitternacht zu Hause gewesen. Vor der Abfahrt machte ich noch einige Fotos, u.a. von einem TGV in neuer Lackierung und hielt mich kurz in der Lounge auf, wobei ich für die Benutzung des WLAN wohl eine „Carte Grand Voyageur“ gebraucht hätte. Ob man auch irgendwie anders an ein Passwort kommt, weiß ich nicht, da das Portal darauf bestand, mich in grottenschlechtem Deutsch anzusprechen. Etwa zehn Minuten vor der Abfahrt machte ich mich auf den Weg zum Gleis, was gut war, denn mein Platz war in der Doppeltraktion ganz vorne. Mein Platz war leider am Gang, aber bei der Abfahrt stellte ich fest, dass noch einer am Fenster frei war und setzte mich dorthin. Die LGV Nord war ich schon 15 Jahre nicht mehr gefahren und genoss sie daher musikhörenderweise, zumal das Wetter auch herrlich war. Ich war erstaunt, wie schnell die Verzweigung bei Lille und kurz dahinter die belgische Grenze erreicht war. In Brüssel wurde es deutlich voller, vielleicht auch, weil der hintere Zugteil dort abgekuppelt wurde. Da es so langsam dunkel wurde, ging ich bald dazu über, das mit meinem halbflexiblen Fahrschein kostenlose WLAN auszuprobieren, das in jedem der drei durchquerten Länder recht gut funktionierte. Leider ist dafür allerdings zunächst das Anlegen eines Benutzerkontos erforderlich. Außerdem gelang mir noch ein Bild von der seit meiner letzten Fahrt 2008 renovierten Inneneinrichtung:

neue Thalys-Inneneinrichtung

Fast pünktlich gegen 21.15 Uhr erreichten wir KK, wo ich den Zug verließ, der noch weiter nach Essen fuhr. Mein Anschlusszug kam aus Amsterdam und traf mit etwa +10 ein, was aber nicht schlimm war, da er 16 min Aufenthalt hatte. Die Abfahrt hätte also pünktlich stattfinden können, verzögerte sich aus ungeklärten Gründen aber dann doch um ein paar Minuten.
Die Fahrt über die KRM verbrachte ich wieder im Speisewagen, wo es diesmal sogar warmes Essen gab. Bei der Ankunft in FFLF wurde durchgesagt, dass es sich nicht um den Zug nach Nürnberg handle. Ich schloss messerscharf, dass der kurz hinter uns kommen würde, was er eigentlich schon 20 min vorher hätte tun sollen. Also ging ich, in FF angekommen, zum Abfahrtsgleis des IC. Den RE hätte ich, obwohl kein offizieller Anschluss, aber auch noch bekommen. Letztendlich wäre ich damit sogar etwas eher in NAH gewesen, weil sich die Abfahrt des IC noch weiter verzögerte. So war ich aber immer noch früher als mit der ausgedruckten Verbindung mit Umstieg in Hanau, die mich erst um 23.40 Uhr an meinen „Heimatbahnhof“ geführt hätte. Die RB nach Wertheim hätte ich so zwar noch bekommen, aber in weiser Voraussicht hatte ich mein Rad am Hbf geparkt, so dass ich nun ohne weitere Wartezeit und Lauferei nach Hause fahren konnte.

Dies & Das

In den letzten Wochen sind mir einige Dinge aufgefallen, die zwar interessant sind, aber nicht für einen ganzen Beitrag reichen:

  • Seit gestern ist der ab 11. Dezember gültige DB-Fahrplan online, und man kann auch Fahrscheine ab diesem Datum buchen. Ich habe das gleich genutzt, um eine Fahrkarte für die Weihnachtsheimfahrt zu buchen. Interessanterweise war schon gestern Vormittag das Angebot an Sparpreisen für den 23.12. stark eingeschränkt: wirklich günstig (25,50 Euro mit Bahncard 25) wäre es nur mit Fahrt über die Rheinstrecke und Ankunft nach 1.00 Uhr. Letztendlich habe ich mich für den ICE um 19.36 ab NAH entschieden, den ich schon häufig benutzt habe. Lieber wäre mir eine Abfahrt zwei Stunden früher gewesen, aber dabei wäre die Ersparnis gegenüber dem Normalpreis vernachlässigbar gering gewesen. Die Rückfahrt habe ich noch nicht gebucht, da der Termin noch nicht feststeht.
  • Wesentliche Änderungen auf den von mir befahrenen Strecken gibt es übrigens zum neuen Fahrplan nicht. Aus NRW ist an Positivem zu berichten, dass die Strecke nach Brilon Stadt reaktiviert wird, im Rhein-Main-Raum die von Darmstadt nach Pfungstadt. Ganz neu ist in Frankreich die LGV Rhin-Rhône, die die Fahrzeiten zwischen Süd- und Ostfrankreich drastisch verkürzt. Ab dem 23. März wird es sogar einmal täglich einen direkten TGV Frankfurt–Marseille geben, der auch die Fahrzeit von Aschaffenburg nach Lyon von 8 bis 10 auf 7:13 Stunden verkürzt. Bereits ab Dezember erreicht man dieselbe Fahrzeit auch mit einer Verbindung über Straßburg, die allerdings viele und knappe Umstiege hat.
  • Wettbewerbsangebote im Schienenfernverkehr werden in der Realität von mehr Fahrgästen angenommen als in rein hypothetischen Studien. Das behauptete vor einiger Zeit ein Artikel* in der Zeitschrift „Internationales Verkehrswesen“. Referenzstrecken: Köln–Amsterdam für die Studie und Köln–Brüssel für die Realität. Was man allerdings nicht bedacht hat: Als „Platzhirsch“ (Incumbent) auf der Strecke gilt der Thalys, als „Konkurrent“ (Entrant) der ICE der DB. Ersterer hat den Nachteil, dass seine Fahrscheine über Köln hinaus nirgendwohin durchtarifierbar sind, so dass für Umsteigeverbindungen immer mindestens zwei zeitgleiche Buchungen mit Verfügbarkeitsabfrage etc. nötig sind (wie bereits beschrieben). Im ICE hingegen lassen sich integrierte Fahrscheine, auch Sparangebote der Deutschen Bahn, von jedem deutschen bis zu jedem belgischen Bahnhof lösen, was ihm einen Teil der zusätzlichen Fahrgäste beschert haben dürfte. Es gilt also: Konkurrenz belebt das Geschäft, aber neue Fernverkehrsangebote werden mit Sicherheit auch an der Kompatibilität der Tarife gemessen.

* Warnecke, C. und Rompf, D.: Bahn frei für den Kunden?, in: Internationales Verkehrswesen 3/2011

Typisch deutsch – typisch belgisch?

Am Samstag war es soweit: ich ging auf die lange geplante Fahrt nach Brügge. Bis Köln ist nichts Bloggenswertes passiert, interessant wurde es erst, als von dort der Thalys endlich losfuhr (nachdem das Einsteigen aller Fahrgäste immerhin etwa zehn Minuten gedauert hatte).
Gleich nach der Abfahrt kam die viersprachige Durchsage, dass man seinen Fahrschein doch bitte immer im Zug mit sich tragen sollte. Diese Regelung mag für Fahrgäste un- und für die Bahngesellschaft praktisch sein (und ich muss gestehen, dass ich mich selten daran halte). Ein Fahrgast neben mir kommentierte es jedoch mit „Typisch deutsch“ – für einen Zug, der zu 62% in französischer und zu 28% in belgischer Hand ist, eine bemerkenswerte Äußerung.

Auf der Strecke Köln–Brüssel hatte sich seit meiner letzten Fahrt im Jahr 2001 eine Menge geändert: Der neue Aachener Buschtunnel ist fertig und die Bahnhöfe Lüttich-Guillemins und Löwen sind komplett neu gebaut, vor allem aber ist die NBS/ABS Lüttich–Brüssel inzwischen in Betrieb. Bis Löwen verläuft sie komplett auf eigener Trasse, dahinter ist die vorhandene Strecke viergleisig ausgebaut, wobei der Fernverkehr interessanterweise auf den inneren Gleisen fährt.

In Brüssel angekommen, bekam ich dann den Beweis dafür, dass auch Verspätungen mit schlechter Informationspolitik nicht „typisch deutsch“ sind: Der Zug nach Ostende war mit +15 angekündigt. Nach insgesamt einer halben Stunde Warten und Ansagen auf französisch und flämisch mit französischem Akzent, die ich leider kaum verstanden habe, kam schließlich ein Zug nach Knokke, der auch über Brügge fuhr. Mein „eigentlicher“ Zug hatte, wie ich dann an der Bahnsteiganzeige in Gent sehen konnte, inzwischen 42 min Verspätung.

Am nächsten Tag war ich dann schon wieder in Brüssel, diesmal als Ausflug von Brügge aus. Auf dem Weg zum Atomium wollte ich eine U-Bahn fotografieren und wurde sofort von einem Sicherheitsmann angesprochen und darauf hingewiesen, dass das nur mit Genehmigung erlaubt sei. Die Begründung war nicht etwa, dass der Blitz den Fahrer irritieren könnte (das hätte ich noch eingesehen), sondern, dass es sich schließlich um Privatgelände handele. Belgische Verkehrsbetriebe scheinen aber sowieso etwas eigen zu sein, denn bis auf die wallonische TEC haben alle eine Klausel, dass Links auf ihre Seiten nur nach Genehmigung erlaubt sind. Ob das eine gute Werbung und rechtlich haltbar ist, sei dahingestellt, jedenfalls gibt es so eben von meiner Website aus keinen Link.

Die weitere Reise konnte ich dann aber ohne Komplikationen genießen. Auf der Rückfahrt aus Brügge fiel mir auf, dass die alte Strecke Lüttich–Aachen, die Thalys und ICE benutzen, an zwei Stellen die Neubaustrecke kreuzt und letztere schon komplett ausgestattet aussah. Nach meinen Recherchen ist das kein Wunder: die Strecke ist seit Dezember 2007 fertig und wird nur deswegen nicht benutzt, weil weder ICE noch Thalys das erforderliche ETCS haben.

Das meiste ist also absolut glatt gegangen, aber es gibt vieles, was im europäischen Eisenbahnbau und -betrieb noch im Argen liegt. Nur merkt man bei einer Fahrt über die Grenze ziemlich schnell, dass davon herzlich wenig „typisch deutsch“ oder „typisch belgisch“ ist …

Brügge-Weg*

Inzwischen kenne ich mich mit dem Online-Verkaufssystem der DB ja ganz gut aus. Manchmal finde ich es zwar etwas knifflig, einen günstigen Fahrschein zu bekommen, aber insgesamt ist das System einigermaßen einfach zu bedienen. Leider gilt das nur für Inlandsreisen, wie sich am Donnerstag Abend mal wieder gezeigt hat: Ich wollte für die Karwoche eine Fahrkarte nach Brügge und zurück kaufen. Über den Tag verteilt gibt es verschiedene Verbindungen: Mit dem ICE bis Köln, von dort mit ICE oder Thalys nach Brüssel und von da weiter nach Brügge. Die Rückfahrt funktioniert entsprechend genau so.

Der Haken an der Sache: ICE und Thalys haben zwei völlig verschiedene Preissysteme. Mit dem ICE kann man eine durchgehende Fahrkarte bis Brügge kaufen, für die dann auch der Sparpreis Belgien der DB gilt – zu den üblichen Konditionen: Vorausbuchung, Zugbindung und begrenztes Kontingent. Und natürlich müssen Hin- und Rückfahrt gleichzeitig gebucht werden und beide im ICE stattfinden.
Der Thalys dagegen hat ein Globalpreissystem, dessen Fahrkarten nicht online bei der DB erhältlich sind. Außer einem DB-Fahrschein bis Köln muss man also auf thalys.com einen Fahrschein bis Brüssel kaufen. Gegen einen geringen Aufpreis ist darin dann die Fahrt zu jedem belgischen Bahnhof inbegriffen (dafür muss man das Ziel „Brüssel TGB“ [toute gare belge] auswählen). Auch der Thalys hat verschiedene Sparangebote, bei denen Hin- und Rückfahrt gemeinsam gebucht werden müssen – natürlich beide im Thalys.

Nach einigem Probieren stelle ich fest, dass es für die Rückfahrt keine passende ICE-Verbindung gibt, für die noch ein Sparpreis zu haben ist. Wegen des Tarifsystems würde ich draufzahlen, wenn ich hin ICE und zurück Thalys fahre, also fahre ich beide Strecken mit dem Thalys. Das heißt: Zwei Browserfenster aufmachen, in dem einen nach einem günstigen Platz im Thalys für die Hin- und Rückfahrt suchen, in dem anderen nach einem Sparpreis nach und ab Köln. Auch hier kann ich nicht in der idealen Zeitlage fahren, und auch der Aufenthalt in Köln wird etwas länger als eigentlich nötig. Zu allem Überfluss war auch noch der Verkaufsserver von bahn.de überlastet und gab unter anderem einmal direkt nach dem Klick auf „Buchung durchführen“ keine Antwort mehr.
Aber letztendlich habe ich es geschafft und eine Reise zum Gesamtpreis von 93,20 Euro für Hin- und Rückfahrt gebucht. An eine dritte Möglichkeit – DB bis Aachen, Euregio-Ticket bis Lüttich und von dort mit den günstigen belgischen Fahrscheinen bis Brügge – hatte ich dabei noch gar nicht gedacht.

Es ist schade, dass Fahrscheinkäufe im Zeitalter des Internets und der europäischen Einigung noch so kompliziert sein müssen. Die DB weist gerne darauf hin, dass Thalys eine eigenständige Gesellschaft ist. Deren Anteile werden allerdings ausschließlich von den nationalen Bahnen Frankreichs, Belgiens und Deutschlands gehalten … Eine Flugsuchmaschine hätte mir den günstigsten Flug heraus gesucht, egal, wo ich umgestiegen wäre und welche Fluggesellschaft dahinter steckt. Ein gutes Vorbild auf der Schiene ist hier die Strecke Frankfurt/Stuttgart–Paris: hier gelten auf der gesamten Strecke die nationalen Angebote beider Bahnen. Hier hat sich schon eine Menge verbessert, aber das Beispiel Belgien zeigt auch, wie viel es noch zu tun gibt.

* Der Brüggeweg ist übrigens eine Straße ganz in der Nähe meines Elternhauses.