Wettbewerb im Fernverkehr – kommt er bald?

Interessante Meldungen gingen dieser Tage durch die Presse: Zum einen will die französische Staatsbahn SNCF über ihre Tochter Keolis (die in Deutschland unter der Marke Eurobahn fährt) in den deutschen Fernverkehrsmarkt einsteigen. Ab 2011 sollen die Strecken Frankfurt–Hamburg und Frankfurt–Berlin mit 20 „gebrauchten Zügen“ (wahrscheinlich Corail-Wagen) bedient werden. Weitere Infos dazu gibt es bisher nicht.

Wesentlich konkreter sind da andere Pläne: Ab August 2010 hat das bisher unbekannte Unternehmen Locomore Fahrplantrassen für die Strecke Köln-Hamburg gebucht. Der genaue Fahrplan kann noch bis Montag beim → Lok-Report abgerufen werden. Es handelt sich um drei Fahrten pro Tag montags bis donnerstags. Am Wochenende gelten abweichende Fahrzeiten. Die Fahrten sind „fast“ vertaktet, d.h. die Minuten der einzelnen Fahrten weichen nur geringfügig voneinander ab. Mit einer Fahrzeit von etwa 4 Stunden und 10 Minuten sind die Züge nur unwesentlich langsamer als die ICs der DB auf dieser Strecke. Auffällig ist allerdings, dass statt Bremen der kleine Bahnhof Sagehorn bedient wird, an dem es aber direkte Anschlüsse von und in die Hansestadt gibt.

Wird das neue Angebot Erfolg haben? Darüber wird natürlich in den einschlägigen Foren und → Newsgroups jetzt schon heiß diskutiert. Knackpunkte werden – wie schon von Prof. Aberle prophezeit – vor allem der Tarif und die Anschlussmöglichkeiten sein. Die wenigsten Fahrgäste wollen genau von Köln Hbf nach Sagehorn oder von Gelsenkirchen Hbf nach Hamburg Hbf fahren, also schauen wir uns die Anschlüsse einmal an: Die Locomore-Züge fahren durchgehend etwa eine halbe Stunde versetzt zu den DB-Fernzügen. Wenn wir annehmen, dass die Nahverkehrszüge auf letztere abgestimmt sind, gibt die Fahrplanlage der neuen Züge überall dort gute Anschlüsse, wo der Nahverkehr im Halbstundentakt oder öfter fährt, wie es im Ruhrgebiet und in Hamburg meistens der Fall ist. Und auch in Osnabrück werden innerhalb einer halben Stunde Anschlusszüge in alle Himmelsrichtungen erreicht (Richtung Bremen allerdings nur über Delmenhorst). Die Fahrplanlage bietet also hier einiges Potenzial, bliebe als wunder Punkt der Tarif: Wenn für eine Strecke Marl-Sinsen–Hamburg-Rahlstedt drei Fahrscheine gekauft werden müssen, die wegen der Degression des DB-Tarifs (und der Nicht-Anerkennung der Bahncard) womöglich mehr kosten als ein durchgehender, wird das natürlich zu Lasten des neuen Angebots gehen. Ebenso fällt die Flexibilität weg, jeden Zug benutzen zu können, die man zumindest mit dem Normalpreis der DB hat. Man darf also gespannt sein, wie der Tarif (über den noch nichts bekannt ist) der neuen Züge letztendlich aussieht, denn er wird eine entscheidende Rolle im Kampf um deren Erfolg spielen.

Wettbewerb im Fernverkehr

Warum gibt es in Deutschland eigentlich kaum Fernverkehr auf der Schiene, der nicht von der Deutschen Bahn betrieben wird? Diese Frage wird mir als Eisenbahnfreund immer wieder gestellt, und auch mit bahninteressierten Freunden habe ich sie schon diskutiert. Es liegt jedenfalls nicht etwa daran, dass die DB ein Monopol im juristischen Sinne hätte. Seit der Bahnreform 1994 kann jedes Unternehmen, das die notwendige Anerkennung als Eisenbahnverkehrsunternehmen hat, Fernzüge fahren lassen. Allerdings muss das – wie bei der DB auch – eigenwirtschaftlich passieren, d.h., es gibt keine staatlichen Subventionen, sondern die Einnahmen dürfen nur aus dem Fahrkartenverkauf stammen.
Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Professor Aberle, eine Koryphäe der Verkehrswissenschaft, fasst in einem Kommentar* einige Gründe für den schwachen Wettbewerb im SPFV zusammen:

  • Die notwendigen Fahrzeuge sind teurer als im Nahverkehr: Lok und Wagen, die 200 km/h fahren können, sind teurer als ein Dieseltriebwagen mit einer Spitzengeschwindigkeit von 80 km/h. Außerdem gibt es keine Subventionen für die Fahrzeugbeschaffung, und die DB verschrottet alte Fernverkehrsfahrzeuge lieber, als sie an Wettbewerber zu verkaufen. Ähnlich sieht es bei den notwendigen Werkstätten aus.
  • Mit der BahnCard hat die DB ein sehr wirksames Kundenbindungssystem, von dem Wettbewerber nicht profitieren können. Selbst wenn sie die BahnCard aus Marketinggründen anerkennen, bekommen sie keinerlei Vergütung dafür von der DB oder öffentlichen Stellen. Auf den DB-Konkurrenten InterConnex wurde von DB und Land Mecklenburg-Vorpommern sogar Druck gegen eine Anerkennung der BahnCard ausgeübt (so schreibt es jedenfalls die → Wikipedia).
  • Es ist sehr schwierig, passende so genannte Fahrplantrassen (das Pendant zu Slots im Luftverkehr) zu bekommen. Auf vielen Strecken gibt es nur eine Möglichkeit pro Stunde, einen schnellen Zug fahren zu lassen, und diese ist oft bereits von der DB belegt. Gibt es noch weitere schnelle Trassen, liegen sie oft so, dass es an den Knotenpunkten keine guten Umsteigeverbindungen gibt – da die wenigsten potenziellen Fahrgäste an den Hauptbahnhöfen wohnen, würde der Zug am Fahrgastpotenzial vorbei fahren.
  • Dort, wo es keine Fernverkehrszüge (mehr) gibt, sind oder waren sie meistens für die DB nicht wirtschaftlich. Wegen der Markteintrittsbarrieren (siehe oben) ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich der Betrieb für einen Wettbewerber erst recht nicht lohnt. Eine der wenigen Ausnahmen ist der → InterConnex zwischen Rostock und Leipzig, der einmal täglich zu deutlich niedrigeren Preisen als die DB fährt.

Diese Lage auf dem Fernverkehrsmarkt hat schon zu Forderungen geführt, ähnlich wie im Nahverkehr auch den Fernverkehr zu subventionieren. In seinem Kommentar erteilt Aberle dem eine klare Absage („abstruser Vorschlag“). Ich selber bin da etwas hin- und hergerissen, bin aber der Meinung, dass die DB durch ihre vom Staat „geerbten“ Fernverkehrszüge einen klaren Wettbewerbsvorteil hat. Und Politiker, die sich über einen weggefallenen Intercity-Halt in ihrer Stadt aufregen, sollten so konsequent sein, für dessen Erhalt auch etwas springen zu lassen. Andererseits können halbleere Fernzüge weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll sein. Die Wahrheit liegt also – wie so oft – irgendwo in der Mitte.

* Aberle, Gerd: ICE-Verkehr vom Steuerzahler zu finanzieren?, in: Internationales Verkehrswesen 9/2009

Mitfahrzug

Die → Leicesterschwester hat mich auf etwas Interessantes aufmerksam gemacht: den → Mitfahrzug. Ins Leben gerufen hat das Angebot die Internationale Gesellschaft für Eisenbahnverkehr (IGE). Sie bietet häufig Sonderzüge in ganz Deutschland und den Nachbarländern an und will so die dazugehörigen Leerfahrten auslasten. Dementsprechend ist das Angebot sehr überschaubar, aber auch sehr günstig, wenn man zufällig ein Ticket für eine der angebotenen Strecken braucht.

Nachtrag (März 2010): Da die Domain mitfahrzug.de seit längerem nicht erreichbar ist, gehe ich davon aus, dass es auch den Mitfahrzug nicht mehr gibt.